Aktualisiert am 22/02/2022 von Marcus

Eine Rafting-Tour durch den Grand Canyon ist ein unvergessliches und intensives Erlebnis.

Großartige Landschaft, Natur pur und wirklich „Big Water“ – der Colorado River im Grand Canyon ist wohl der Traum eines jeden ambitionierten Kajak-Paddlers. Für weniger Ambitionierte und gänzlich Ungeübte gibt es die Möglichkeit, mit dem Raft durch die Mutter aller Schluchten zu fahren.

2019 feiert der Grand Canyon National Park seinen 100. Geburtstag. Anlässlich dieses historischen Ereignisses haben wir den Bericht über unsere Grand Canyon Rafting-Tour noch mal überarbeitet und aktualisiert. Mit diesem Artikel beteiligen wir uns an der Blogparade von Safe Travels Happy 100. Birthday Grand Canyon National Park anlässlich des 100. Geburtstags des Grand Canyon National Park.

Großes Raft auf Rafting Tour im Grand Canyon

Eine Grand-Canyon-Rafting-Tour ist in vielen Abschnitten gemütlich

Unsere Paddlergruppe samt Kajaks wird am Flughafen in Las Vegas von der Firma Hatch River Expeditions abgeholt. Eine Rafting-Tour durch den Grand Canyon ist aufgrund strenger Auflagen nur ausgesuchten Unternehmen erlaubt. Die Fahrten sind kontingentiert und oft lange im Voraus ausgebucht. Als Nichtpaddler fährst du als Passagier auf den großen Rafts durch den Grand Canyon. Wasserscheu solltest du allerdings auch bei dieser Transportmethode nicht sein.

Die Fahrt Richtung Marble Canyon am oberen Ende der Grand Canyon Schlucht dauert vier Stunden, wobei unser Fahrer seinem Spitznamen „Scary Larry“ alle Ehre macht. Aber schließlich kommen wir heil beim Warehouse von Hatch an und nach dem Abendessen in der Cliff Dwellers Lodge rollen wir im oder um das Warehouse unsere Matten aus und gehen schlafen. Meine erste Nacht unter freiem Himmel! Es ist etwas gewöhnungsbedürftig. Ständig meine ich, etwas über mich krabbeln zu fühlen, aber schließlich übermannt mich der Schlaf.

Start der Rafting-Tour in Lee’s Ferry am Grand Canyon

In einer Menschenkette werden die Packstücke bis zum Raft gereicht

Beim Beladen der Rafts packen alle mit an

Am nächsten Morgen geht es runter nach Lee’s Ferry, wo zwei riesige Rafts und die Hatch-Crew warten. Das Kommando „Kette bilden“ erschallt – es wird uns auf der Rafting-Tour nun täglich begleiten – und flugs stellen wir uns in einer Reihe auf und reichen die Gepäckstücke bis zu den Rafts durch. Dort werden sie genau wie die reichlichen Getränkevorräte verladen. Auch die Kajaks liegen schon einsatzbereit am Ufer des Colorado Rivers.Die Rafts setzen sich von Motorkraft betrieben in Bewegung. Wir Paddler wimmeln wie ein bunter Schwarm um sie herum. Die Rafting-Tour durch den Grand Canyon beginnt!

Großes Raft, Kajak mit Paddler

Los geht’s zur Grand Canyon Rafting Tour

Die Sonne scheint und heizt die Luft auf nahezu 40 Grad auf. Da das Coloradowasser hier aus dem Grundablass des oberhalb gelegenen Lake Powell stammt, beträgt die Wassertemperatur nur etwa sechs Grad. So ist es trotz der Hitze im Kajak gut auszuhalten, man hat sozusagen Klimaanlage von unten. Auf den Rafts wird dafür von innen gekühlt, mit den Getränken, die mit perfekter Kühlschranktemperatur aus dem Netz neben dem Raft gefischt werden.

Die ersten Rapids im Grand Canyon

Bald schon schaukeln wir mit den Booten auf den Colorado-Wellen, die hier noch klar und grün sind. Unser Guide erklärt uns, dass wir heute drei Rapids vor uns hätten, nach Grand-Canyon-Maßstäben kleinere. Trotzdem bekommen wir große Augen, als wir in Badger-Creek-Rapid fahren und die Wellen sich vor uns türmen! Das sind andere Größenverhältnisse als auf den heimischen Alpenflüssen.

Während die Rafts gemütlich über die Wellen treiben und die Passagiere fröhlich juchzen, paddeln wir mit voller Power, um in der gewaltigen Strömung die Kontrolle über unsere Kajaks zu behalten.

Kajaks verschwinden teilweise zwischen den hohen Wellen

Das ist nur ein kleiner Rapid auf dem Colorado

Als nächste Stromschnelle auf der Rafting-Tour folgt Soap-Creek-Rapid, mit den ersten Schwimmern. Der Höhepunkt des Tages ist House-Rock-Rapid, benannt nach einem Haus-großen Felsen am Ende. Im Gegensatz zu den beiden vorigen Rapids geht dieser auch noch um eine Kurve. Guide Dave sieht unsere respektvollen Blicke, mit denen wir den Rapid mustern und meint grinsend: „It’s only water!“ – „Es ist nur Wasser!“ Na, dann mal los!

Lachende Paddlerin vor hohen Wellen

Geschafft! Erleichtertes Strahlen am Ende von House Rock Rapid

Campleben auf der Rafting-Tour im Grand Canyon

Gegen Abend wird an einem Sandstrand im Grand Canyon angelegt. Nachdem die Kajaks aufs Ufer gezogen sind, heißt es „Kette bilden“, um die Rafts zu entladen. Danach haben wir Zeit, unsere Schlafplätze auszusuchen und herzurichten. Während sich die Crew der Rafting-Tour mit den Dinner-Vorbereitungen beschäftigt, relaxen wir bei ein paar Snacks und Kaltgetränken.

Mobile Küche am Strand des Colorado River

Die Rafting-Tour-Crew bereitet das Essen zu

Das Essen ist immer phänomenal. Es gibt jeden Tag frisches Fleisch oder Fisch, Gemüse, Salat, Obst und Nachtisch – oft im Dutch Oven gebackener Kuchen. In unserer ganzen restlichen Zeit in den USA werden wir nicht so gut essen, wie auf dieser Rafting-Tour in der Wildnis des Grand Canyons.

All diese Vorräte werden im Bauch der tonnenschweren Rafts auf Blockeis mitgeführt und dank des kalten Coloradowassers halten sie sich bis zum Ende der Reise kühl und frisch.

Isomatten sind auf dem Boden ausgebreitet

Nachtlager im Eine-Million-Sterne-Hotel im Grand Canyon

Um halb neun ist es dunkel – Schlafenszeit! Es ist immer noch sehr warm, die Felswände der Schlucht speichern die Hitze des Tages. Bis auf die Schlangenphobiker unter uns haben die meisten auf den Zeltaufbau verzichtet und ihre Matten unter freiem Himmel ausgerollt. So genießen wir vorm Einschlafen den großartigen Sternenhimmel über dem Grand Canyon. Die Milchstraße ist deutlich zu erkennen, dazu Millionen Sterne. Mitten in der Nacht werde ich wach, weil irgendein Blödmann die Schlafzimmerbeleuchtung angeknipst hat – ach nee, es ist nur der Vollmond, der jetzt über den Klippenrand des Grand Canyon lugt!

Ich hätte nicht gedacht, dass ich freiwillig im Urlaub so früh aufstehen würde, aber um spätestens sechs Uhr ist es hell und das Camp erwacht. Der Duft nach Kaffee zieht schon durch die Morgenluft, denn die Guides des Rafting-Tour sind bereits vor uns aktiv.

Sonnenaufgang im Grand Canyon

Sonnenaufgang im Grand Canyon

Gewaschen wird sich im Fluss, eine sehr erfrischende Angelegenheit, die aufgrund der Wassertemperatur in rationeller Eile erledigt wird. Die Guides sind mit Frühstücksvorbereitungen beschäftigt, frische Eier werden ganz nach Wunsch zubereitet: „How do you like your egg? Scrambled, sunny side up or over easy?“

Für die anderen menschlichen Bedürfnisse wird an zwei entfernten Enden des Lagers jeweils ein Chemoklo aufgestellt. Schließlich regnet es in dieser Gegend sehr selten. Wenn die Touristen der Rafting-Touren ihr Geschäft hinter den spärlichen Tamariskenbüschen verrichten würden, wären die Lagerplätze im Grand Canyon schnell in einem Zustand, der nicht mehr zum Verweilen einlüde. Auch hierfür gilt die Grand-Canyon-Regel: „Take nothing but pictures, leave nothing but footprints“.

Die Frage „Besetzt oder frei“ wird durch ein rotes Plastikkissen geregelt, das am Beginn des Pfads zur Toilette neben der Handwaschstation liegt: Geht man aufs Örtchen, nimmt man das Kissen mit, findet man kein Kissen vor, wartet man, bis man an der Reihe ist. Und ich glaube, es gibt wenig Toiletten auf der Welt mit einer derart sensationellen Aussicht!

Hohe Felswände des Grand Canyon mit Schattenwurf

So kann beispielsweise der Blick von der Toilette sein

Ausflug in die Silver Grotto

Mittagsrast bei Shinumo Wash. Von der Crew der Rafting-Tour wird das Sandwich-Buffet aufgebaut. Nachdem sich alle gesättigt haben, geht es zu einer kleinen Wander- und Klettertour in einen Seitencanyon des Grand Canyon: Silver Grotto. Wir klettern an Seilen steile Abhänge hoch und runter, waten oder schwimmen durch wassergefüllte Teile des Canyons, bis es schließlich nicht mehr weitergeht.

Silbergraue Felswände umgeben uns in einem ovalen Kessel, der nach oben immer schmaler wird und nur einen Streifen Himmel erkennen lässt. In der Mitte liegt ein Tümpel, in den die Unermüdlichen, die versuchen, die steile, glatte Felswand zur nächsten Ebene zu überwinden, immer wieder hineinrutschen – zum Gaudium des restlichen Publikums.

Menschen waten durch hüfttiefes Wasser in einem Felskessel

Expedition in den Nebencanyon

Nach der Pause geht es wieder in die Kajaks und auf die Rafts. Zwei der namenlosen Rapids im Fünfer-Bereich (die Colorado-Skala reicht von 1 bis 10) bringen mich heute zum Schwimmen. Eingestiegen wird auf dem Fluss: nachdem Dave mein Boot quer über sein Boot gezogen und so geleert hat, legt er es neben sein Kajak und hält es fest, so dass ich übers Heck wieder ins Kajak robben kann. Geht leichter als gedacht.

Paddler in rotem Kajak im Grand Canyon

Marcus sitzt fest im Boot

Zu unserer Erheiterung geht sogar einer der Rafting-Tour-Passagiere unfreiwillig baden. Er hatte es sich ganz vorne auf dem spitz zulaufenden Wulst bequem gemacht, um die Fahrt zu genießen. Beim Ritt über die Wellen des Rapids verlor er den Halt und musste den restlichen Katarakt schwimmen – ohne isolierenden Neoprenanzug! Schwimmwesten sind zum Glück auch für die Rafting-Passagiere Pflicht.

Nun folgt eine lange relativ ruhige Strecke, auf der es nur geradeaus paddeln heißt. Das ist gar nicht so einfach, denn unter der Flussoberfläche lauern Querströmungen und Wirbel, die ständig das Boot in eine andere Richtung drehen. Immer wieder ist plötzlich der Vordermann um zehn Meter nach rechts oder links versetzt. Da haben es die Rafts einfacher, die mit Motorkraft ihren Weg durch die Strömung pflügen.

Paddlerin in blauem Kajak

Auf ruhigen Abschnitten des Colorado Rivers paddelt es sich meist entspannt.

Rechts und links ragen die Felswände in den typischen Ocker- und Rottönen des Grand Canyons mehrere hundert Meter senkrecht empor. Dann wieder treten die Steilwände zurück, das Ufer besteht aus großen Kieseln, ein Nebental trifft auf den Colorado und ab und zu erblicken wir ein paar Mufflons mit ihren großen gebogenen Hörnern.

Gut getarnte Mufflons am Ufer im Grand Canyon

Gut getarnte Mufflons  im Grand Canyon

Bei Mile 33 machen wir noch einmal Halt, um Redwall Cavern zu besichtigen, eine riesige Höhle im roten Gestein des Grand Canyon. Hier wurden sogar schon Konzerte abgehalten.

Blick aus einer großen Höhle auf den Grand Canyon

Die Redwall Cavern hat gigantische Ausmaße

Anasazi-Kornspeicher bei Nankoweap

Das Highlight des nächsten Tages sind die Anasazi-Kornspeicher am Nankoweap Canyon. In der Gluthitze des Vormittags wandern wir etwa 400 Meter steil bergauf, bis wir die vor fast tausend Jahren in einen Felsüberhang gebauten Speicher erreichen. Hier lagerten die Indianer ihre Getreidevorräte, die sie unten im Flussdelta des Nankoweap Creeks ernteten. Von dem Felssims aus genießen wir eine atemberaubende Aussicht über den Grand Canyon, ehe wir uns wieder an den Abstieg machen.

Menschen sitzen an Felswand, unter ihnen der Colorado River

Blick aus luftiger Höhe auf den Grand Canyon

Später passieren wir mit unserer Rafting-Tour die Mündung des Little Colorado Rivers. Normalerweise färbt sich ab hier der Colorado in dem typischen Rotbraun, aber es sind in letzter Zeit keine Gewitter im Gebiet des Little Colorado herab gegangen und haben die Schlammmassen heruntergespült. So bleibt uns noch einige Tage der Fluss in milchigem Grün erhalten.

Die Big Rapids des Grand Canyons- der erste der Big Five

Wir erreichen nun die Inner Gorge, in der der Colorado River sich am tiefsten ins Gestein des Grand Canyons geschnitten hat. Die Felswände bestehen aus schwarzem Vischnu-Schiefer und rosa Granit. Als erster der „Big Rapids“ kommt Hance Rapid.

Mehrere Kajaks fahren durch weißschäumende Stromschnellen

Winzige Bötchen auf wildem Fluss

Ein riesiger Basaltwürfel in der Flussmitte markiert den Eingang, dann geht es über eine halbe Meile Länge fast zehn Meter abwärts – mit mächtigen Walzen, denen es auszuweichen gilt. Wer hier schwimmt, schwimmt lange und so fällt meine Entscheidung leicht: ab aufs Raft.

Bevor wir losfahren, entschuldigt sich Raftguide Rachel schon mal im Voraus dafür, dass sie vermutlich gleich viel fluchen wird, weil es eine schwierige Fahrt ist. Sie dreht den 25-PS-Motor, der das tonnenschwere Raft antreibt, auf Vollgas und los geht’s. Die Wellen waschen über das gesamte Raft, nicht nur die Passagiere in der ersten Reihe werden klatschnass. Mitten im Rapid versagt der Motor.

Nun hat Rachel allen Grund zum Fluchen, sie zieht und zieht an der Startleine, doch nichts passiert. Wir trudeln steuerlos durch die Wellen, rammen das Ufer, werden weiter getrieben und laufen auf einen Felsen auf. Endlich startet der Motor wieder, Rachel hat das Raft wieder unter Kontrolle. Vielleicht sollte ich den nächsten Big Rapid doch selber paddeln…

Phantom Ranch

Gegen Mittag erreichen wir Phantom Ranch. Hier ist die einzige Verbindung während der Rafting-Tour im Grand Canyon zur Außenwelt. Es gibt ein Telefon, man kann Postkarten erwerben und losschicken, die dann per Muli zum South Rim gebracht werden.

Reiter auf Maultier

Alles muss per Maultier transportiert werden

Sie bekommen sogar einen Poststempel „Mailed by mule“. Hier gelangt man nur per Boot, per Pedes oder per Muli hin. Die Touristen, die Grand Canyon Village oben am Rim besuchen, können von dort einen stundenlangen Abstieg bewältigen. Wenn sie nicht Wochen vorher Schlafplätze bei der Phantom Ranch vorbestellt haben, müssen sie auch am gleichen Tage wieder aufsteigen. Wildes Campieren ist nicht erlaubt.

Fußbrücke über den Colorado River bei Phantom Ranch

Fußbrücke über den Colorado River bei Phantom Ranch

Noch mehr Big Rapids auf dem Colorado River

Als nächster Big Rapid wartet Horn Creek Rapid auf uns. Der Anteil der Paddler, die lieber aufs Raft wollen wird größer. Leider haben die Rafts auf der anderen Flussseite angelegt. Wir müssen unmittelbar oberhalb des Rapids den Fluss queren, um dorthin zu gelangen. Der Fluss ist breit, die Strömung zieht ordentlich und unser Adrenalinpegel ist hoch, als wir alle die Rafts erreicht haben. Die Boote werden verstaut und festgezurrt und der wilde Rafting-Ritt durch Horn Creek kann losgehen – diesmal ohne Motorpanne.

Blick vom Raft auf große Wellen voraus

Anfahrt in Horn Creek Rapid

Wenige Meilen weiter folgen schon Granit Rapid und Hermit Rapid und so bleiben wir gleich auf dem Raft. Hermit ist der Rapid mit den höchsten Wellen im Grand Canyon, durch vier Meter hohe Wasserberge kämpfen sich die Mutigen unter uns im Kajak.

Kajak fährt über riesige schäumende Welle

Wellenberge in Hermit Rapid

Am nächsten Vormittag erreichen wir auf unserer Rafting-Tour einen weiteren Big Rapid: Crystal Rapid. Am liebsten würde ich mein Boot schon vor der Besichtigung des Rapids aufs Raft verladen. Aber unser Guide zeigt uns eine Chickenline, die ich vielleicht sogar kriegen könnte, wenn es mir gelingt, rechtzeitig aus der Hauptzunge raus zu kommen.

Ich wage es – nervös steige ich in mein Boot und paddle energisch Richtung Sicherheit. Und es klappt! Euphorisch gestimmt erreiche ich das Ende des Rapids – wenigstens einen der Big Ones bin ich selbst gepaddelt.

In der Mittagspause am Shinumo Creek lädt ein Wasserfall im Seitencanyon zu einer erfrischenden Dusche ein. Das hier herabstürzende Wasser ist angenehm warm. Natürlich sind Seife und Shampoo nicht erlaubt, sonst hätte man mal zur Abwechslung eine Haarwäsche mit angenehm temperiertem Wasser machen können.

Frau steht unter Wasserfall

Duschen unterm Wasserfall

Nach nur 16 Meilen (knapp 26 km) Tagesetappe erreichen wir auf unserer Rafting-Tour unser Nachtcamp am Thunder River relativ früh. Dementsprechend heiß ist es. Die Sonne knallt noch richtig. Man kann kein Gepäckstück anfassen, ohne sich die Finger zu verbrennen. Die Tamariskenbüsche bieten nur dürftigen Schutz und so flüchten wir in den Seitencanyon des Thunder River, wo wir Schatten und eine Art natürlichen Whirlpool unter einem kleinen Wasserfall finden. Hier lässt es sich aushalten!

In der Nacht kündet Wetterleuchten von fernen Gewittern im Grand Canyon. Am Morgen hat der Colorado River seine Wasserfarbe geändert: im typischen Rotbraun wälzt er sich durch sein Bett. Na endlich!

Rotbrauner Strom zwischen Felswänden

Rotbraune Brühe, typisch Grand Canyon

Ein Teil der Gruppe bricht zu einer Tageswanderung auf, der andere Teil fährt mit dem Raft die drei Meilen bis zum Deer Creek. Der Deer Creek fällt in einem 30 Meter Fall in einen kristallklaren Pool mit angenehmer Badetemperatur. Der Wasserfall erzeugt einen derartigen Luftdruck in dem Kessel, dass es unmöglich ist, näher als zehn Meter heran zu schwimmen – man wird förmlich weggepustet.

Schmaler Wasserfall aus rotbrauner Felswand

Deer Creek Fall

Nachmittags kommen die Wanderer verschwitzt und erschöpft an und stürzen sich begeistert ins Wasser. Nachdem sie sich ausgeruht haben, ist noch ein wenig Rafting und Paddeln angesagt: ein paar Meilen Rafting-Tour stehen auch heute noch auf dem Programm.

Experimentierfreudig probiere ich eine Eskimorolle in den nunmehr braunen Fluten. Es ist stockfinster unter Wasser, nicht ein winziger Lichtschimmer dringt durch das sedimentreiche Wasser. Sehr gewöhnungsbedürftig!

Upset Rapid wird zum Schwimmfest

Der nächste Tag unserer Rafting-Tour beschert uns einen Rapid, der es in sich hat: Upset Rapid, der mit Grad 3-8 eingestuft ist. Unser Guide führt uns natürlich die „8er-Route“ runter. In der Mitte gilt es, ein großes Loch tunlichst nicht zu treffen, links davon türmen sich Riesenwellen, über die wir die Boote steuern. Nach zwei oder drei dieser Dinger kommt plötzlich ein Riesenbrecher von links aus der Felswand und wälzt sich seitlich über mich.

Gekentertes Kajak in wilder Strömung

Kopfunter ist man schnell

Ich kentere, kämpfe, um das Paddel zur Rolle anzulegen gegen die Strömung, die unter Wasser an mir zerrt. Als ich gerade soweit bin, dreht eine Welle mein Boot um – leider zu falschen Seite und leider nicht komplett. Die Strömung reißt mir das Paddel zur anderen Seite. Ich mache einen weiteren, aus Luftnot halbherzigen Rollversuch – dann steige ich aus. Ich schwimme in riesigen Wellen, die immer wieder über mir zusammenbrechen, so dass Atmen taktischer Überlegungen bedarf. Vor mir sehe ich Winfried abkraulen. Hinter mir schwimmen Marcus und Mike – die Route war ja ein voller Erfolg! Guide Dave, der die rechte, leichtere Route wählt, bringt seine Gruppe unbeschadet durch.

Havasu Creek

Klarer Fluss zwischen Felswänden mündet in Colorado River

Der klare Havasu Creek fließt in den schlammigen Colorado River

Mittagsrast machen wir an der Mündung von Havasu Creek. Kristallklares Wasser des Havasu Creeks trifft die schlammigen Coloradofluten – in einer scharf abgegrenzten Linie. Wir wandern ein Stück das Tal hinauf bis zu einer Stelle, wo es einen herrlichen Badepool gibt. Hier schwimmen wir und relaxen im Schatten des Felsplateaus. Weiter oben im Canyon gibt es eine Siedlung der Havasupai-Indianer und einen traumschönen Wasserfall, aber die Zeit reicht leider nicht für die mehrstündige Wanderung dorthin. Die Rafting-Tour geht heute noch ein Stück weiter, ehe wir uns für die Nacht einrichten.

Einen sehr spannenden Bericht über den Hike von oben zu den Havasu Falls hat Katrin auf ihrem Blog veröffentlicht: Places To See Before You Die: Havasu Falls

Action pur: Lava Falls

Einen Tag später erreichen wir den Höhepunkt eines jeden Grand-Canyon-Rafting-Trips: Lava Falls.

Alle anderen Rapids haben sich durch Rauschen angekündigt. Hier hören wir schon von ferne das Donnern des Rapids, eingestuft mit dem Grad 8 – 10. Wir steigen am linken Ufer aus, um die legendäre Stelle zu besichtigen. Das schwarze Lavagestein in Lava Falls trägt das seinige zur bedrohlichen Atmosphäre bei.

Paddler auf ruhiger, brauner Wasserfläche

Die Ruhe vor dem Sturm: Zufahrt zum Rapid Lava Falls

In der Mitte und damit in der Hauptströmung tut sich ein gewaltiges Loch auf, in Dimensionen, die wir uns hierzulande nicht vorstellen können. Hat man es an dem Loch vorbei geschafft, lauern rechts ein paar wirklich große Walzen auf den mutigen Paddler. Wir beobachten atemlos die wenigen echten Helden, die sich mit ihren Kajaks durch das tosende Inferno kämpfen, bevor der große Rest der Gruppe die Rafts besteigt.

Großes Raft in großen Wellen

Rafting Lava Falls

Auch das Rafting durch Lava Falls ist abenteuerlich. Die Guides sind hochkonzentriert und trocken bleibt niemand. Die riesigen Rafts bäumen sich in den tobenden Wellen auf, tauchen wieder ab ins nächste Wellental, während das Wasser über das gesamte Raft bricht. Jeder krallt sich irgendwo fest, um nicht über Bord gespült zu werden.

Lake Mead – Ende unserer Rafting-Tour im Grand Canyon

Bevor wir den Lake Mead erreichen, werden alle Kajaks auf die Rafts verladen, da der Colorado River ab hier nur noch wenig Strömung hat. Den ganzen Tag motoren wir den Fluss hinunter. Wir erhaschen einen Blick auf den berühmten Skywalk, eine Aussichtsplattform mit gläsernem Boden hoch oben in einem Seitencanyon des Colorados. Von hier unten aus sieht sie winzig aus.

Am Nachmittag erreichen wir Lake Mead, wo das allerletzte Camp der Rafting-Tour auf einer Halbinsel aufgeschlagen wird. Wir schwimmen und planschen im warmen See. Endlich wieder Haare waschen mit Wasser, das wärmer als acht Grad ist und nicht voller Sand! Der einzige Nachteil des warmen Wassers: heute Abend gibt es kein kaltes Bier.

Diese Tour war einzigartig und wird für uns definitv unvergesslich sein. Den Grand Canyon auf seiner gesamten Länge zu erleben, gehört für uns zu den schönsten Orten, die wir je besucht haben. Daher beteiligen wir uns mit diesem Bericht gerne an der Blogparade von Ai See The World zum Thema “Schönster Ort in den USA”.

Im Vordergrund Wiese, dahinter See und Berge und rotblaue Wolkan

Abendstimmung über Lake Mead

Infos zur Grand Canyon Rafting-Tour

  • Die Strecke von Lee’s Ferry bis Lake Mead beträgt 474 Kilometer. Dabei sind 81 Rapids zu bewältigen.
  • Rafting-Touren: Mit Kajaks oder Ruder-Rafts (die Guides rudern!) benötigt man 12 Tage für die Tour, Motor-Rafts alleine sind schneller. Die motorisierte Rafting-Tour durch den gesamten Grand Canyon dauert sieben Tage. Es gibt auch viertägige Halb-Canyon-Touren, die bis Phantom Ranch gehen oder von dort starten. Das bedeutet einen Hike in oder aus dem Grand Canyon über den Bright Angel Trail.
  • Die Wassertemperatur liegt ganzjährig bei 6 – 8 Grad, da das Wasser als Grundablass aus dem Lake Powell kommt und durch die hohe Fließgeschwindigkeit im Grand Canyon kaum aufgewärmt wird.
  • Im Sommer wird es unten im Grand Canyon sehr heiß, auch nachts bleibt es warm, da die Felswände die Wärme speichern. Im Frühjahr und Herbst sollte man auch ein paar wärmere Sachen dabei haben.
  • Mit dem Kajak sollte man sich nur als erfahrener Paddler auf den Colorado River wagen. Alle anderen können das Vergnügen auf einer Raft-Tour genießen. Wir haben über Hatch River Expeditions gebucht und waren mit dem Anbieter sehr zufrieden.
  • Ausrüstung: Zelte, Isomatten und Schlafsäcke werden vom Anbieter der Rafting-Tour gestellt, ebenso wasserdichte Packsäcke für dein Gepäck. Als Kleidung wählst du Funktionskleidung, die schnell trocknet – du wirst nass werden! Wichtig ist ausreichender Sonnenschutz: leichte, langärmelige Kleidung, Sonnenmilch mit hohem Schutzfaktor und ein Sonnenhut. Brillenträger sollten ein Sportband zur sicheren Befestigung der Augengläser benutzen.
  • Anreise: Die Anreise erfolgt von Las Vegas und wird vom Anbieter der Rafting-Tour organisiert.
  • Kosten: Ganz klar: eine Rafting-Tour durch den Grand Canyon ist sauteuer! Der Preis relativiert sich, wenn du bedenkst, was für ein riesiger logistischer Aufwand dahinter steckt. Uns was es eine Once-In-A-Lifetime-Erfahrung wert. Bei keiner anderen Gelegenheit kannst du den Grand Canyon so intensiv erfahren. Aktuelle Preise für die Rafting-Touren kannst du den Homepages der Anbieter entnehmen.

Links zu ähnlichen Beiträgen:

Nach dem Grand-Canyon-Abenteuer haben wir noch eine Rundreise durch die umliegenden Nationalparks rund um den Grand Canyon gemacht.

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Seekajak auf der Insel Rab in Kroatien

Kajakkurs auf der Soca in Slowenien